Fotos: Maren Michaelis
Der Mond steht von starren Wolkenschlieren verbrämt über dem nächtlichen Meer. Es stellt sich die Frage: bleiben sie dort, die zarten Wolken, auch wenn der alte Kalktrabant weiterdreht, um das Wasser mitzuziehen? Sie haben sich eingerichtet, in ihrer Luftschicht, scheinen zu verharren, wie ein paar sture Vögel, die sich nicht einmal durch Gewehrsalven von der Oberleitung verscheuchen ließen. So oder so: da am Strand, mit den reglosen Wolken und unter der Gemächlichkeit der weißen Scheibe, ist alles still, liegt der Sand in Frieden, wird vom Salzwasser mehr massiert als dass die Brandung ihn in Aufruhr versetzte. Das Feuer, aus getrocknetem Treibholz geschichtet, glimmt vor sich hin, atmet in ruhigen Zügen die salzige Luft, scheint kurz vor dem Einschlafen. Ein lebendiges Stillleben.

Dann passiert etwas. Ein Sturm zieht auf, und die groben Holzstücke glimmen immer stärker, bis sich die Flammen auf den weitgereisten Oberflächen entzünden. Während die Wellen heftiger werden, der Sand aufwirbelt, die Flammen und Funken der Dunkelheit nun lodernd die Stirn bieten, kommen von der Straße drei Gestalten auf den Lichtkreis zugeschritten. Sie scheinen den Sturm mitzubringen, vor dem sogar die Krebse flüchten. Zwei Frauen und ein Mann, sie setzen sich auf den Boden, verteilen sich symmetrisch ums Feuer, in dem sich ihre Verbindungslinien kreuzen und dessen Flammen im Auge des Sturms ganz ruhig werden – als hörten sie auf die Gesetze einer außerirdischen Natur, während der nun wütende Wind bereits die angrenzenden Strandhütten verwüstet, Palmen abknickt, die Boote losmacht.

Dieser Sturm ist geschult an einem tiefen Noiserock der 1990er Jahre, mit Verzerrung und hartem Anschlag, dann jedoch in ruhigen, ekstatischen Zwischensequenzen, die mehr Traumreise sind. Doch spätestens die bildhaften Texte holen einen auf den harten Boden der Tatsachen zurück, machen die Musik zu einem wütenden, dann wieder sehnsüchtigen Fußmarsch. Voodoo Beach sind auf einer Reise durch die Nacht. Die eng miteinander verwobene Dreifaltigkeit Gitarre/Schlagzeug/Bass ragt dabei tief in den Raum, trägt eine dunkelblaue, fast schwarze Klangfarbe, die nicht nur von den präzisen Beckenblitzen und Snareschlägen erhellt wird, sondern auch von Heike Rädekers oft mehrstimmig gemischtem Gesang, der beobachtend durchs Fenster schaut, um es im nächsten Moment schon aus den Angeln zu heben. Und auch, wenn wir es hier ohne Frage mit einem treibenden Sound zu tun haben, gibt es durchaus Raum für mantrische Repetitionen einer ersehnten Ruhe, die aus all dem spricht. Keine Müdigkeit, nein: Ruhe. Voodoo Beach reihen sich damit ein in jenen losen Zusammenhang deutschsprachiger Rockbands der letzten zehn Jahre, finden gute Gesellschaft in den Nerven, Gewalt, Friends Of Gas, Culk und Co.! Der tief-reißende Bass kommt von John-H. Karsten, der auch die Texte schreibt, das Schlagzeug spielt Josephine Oleak, und an der Stromgitarre stehend singt bereits erwähnte Heike Rädeker einen Alltagsexistentialismus, der sich gewaschen hat.

Ihre rußverschmierten Gesichter zeigen sich im Licht der Flammen von Schrammen gezeichnet. Die Kleider tragen Risse. Doch sie sehen gut aus. Als die Freunde aufstehen, bricht der Sturm plötzlich ab. Die drei Reisenden klopfen den Sand von ihren Hosenböden und schreiten selbstsicher ins Meer, das jetzt wie ein Spiegel da liegt, in Regungslosigkeit. Die Wolken vorm Mond sind verschwunden, doch es bleibt Nacht. Das sind Voodoo Beach.

–Hendrik Otremba


The moon is veiled by rigid streaks of clouds above the nocturnal sea. The question arises: will they stay there, the delicate clouds, even if the old Kalktrabant keeps turning to drag the water along? They have settled in, in their layer of air, seem to persist, like a few stubborn birds that could not even be scared away by gun salvos from the overhead line. Either way: 
there on the beach, with the motionless clouds and under the leisureliness of the white disc, all is still, the sand lies at peace, massaged by the salt water more than the surf has set it in turmoil. The fire, layered with dried driftwood, smoulders away, breathing the salty air in quiet puffs, seeming on the verge of falling asleep. A living still life.

Then something happens. A storm comes up and the coarse pieces of wood glow more and more until the flames ignite on the well-travelled surfaces. As the waves become more violent, the sand swirls up, the flames and sparks now blazingly defy the darkness, three figures come striding towards the circle of light from the street. They seem to bring with them the storm from which even the crabs flee. Two women and a man, they sit down on the ground, spread out symmetrically around the fire in which their connecting lines cross and whose flames become completely calm in the eye of the storm - as if they were listening to the laws of an extraterrestrial nature, while the now raging wind is already ravaging the adjacent beach huts, snapping off palm trees, unhooking the boats.

This storm is schooled in deep 1990s noiserock, with distortion and hard hitting, but then in quiet, ecstatic interludes that are more dream journey. But at the latest the pictorial lyrics bring you back to the hard ground of facts, make the music a furious, then again longing foot march. Voodoo Beach are on a journey through the night. The tightly interwoven trinity of guitar/drums/bass juts deep into the room, carrying a dark blue, almost black timbre, illuminated not only by the precise cymbal flashes and snare hits, but also by Heike Rädeker's often polyphonic mixed vocals, which peer observantly through the window, only to lift it off its hinges the very next moment. And even though we are without question dealing with a driving sound here, there is definitely room for mantric repetitions of a longed-for calm that speaks from all this. Not tiredness, no: calmness. Voodoo Beach thus join that loose context of German-language rock bands of the last ten years, finding good company in Nerven, Gewalt, Friends Of Gas, Culk and Co! The deep, tearing bass comes from John-H. Karsten, who also writes the lyrics, the drums are played by Josephine Oleak, and the aforementioned Heike Rädeker sings an everyday existentialism on the electric guitar.

Their soot-smeared faces are marked by scratches in the light of the flames. Their clothes are torn. But they look fine. As the friends stand up, the storm suddenly breaks. The three travellers knock the sand off the bottoms of their trousers and stride confidently into the sea, which now lies there like a mirror, motionless. The clouds in front of the moon have disappeared, but night remains. They are Voodoo Beach.

-Hendrik Otremba

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